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Tag 1 - Rage

 

 

 

Er hatte versagt. Wegen ihm waren seine Männer tot. Aurelius wischte sich den Regen aus den Augen. Sein Blick fiel auf die toten Legionäre zu seinen Füßen. Marcus und Damilius. Gute Soldaten. Und sie waren gestorben, weil er versagt hatte. Marcus hätte den Hinterhalt riechen müssen. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass die Cehnem so clever wären.
„Kelsus, stehe mir bei“, betete er zu dem Kriegsgott. „Wenn ich überlebe, opfere ich dir alles.“
Aurelius lehnte sich an den Baumstamm, hinter dem er Schutz gefunden hatte. Er hörte die Cehnem auf der entfernten Straße. Sie schnauften und grölten in ihrer grässlichen Sprache. Aurelius wagte sich nicht aus seiner Deckung, aber offenbar plünderten sie die Leichen.
Seine Gedanken glitten zu seiner Heimat, seiner Frau ab. Wenn er doch wenigstens Hanna noch einmal sehen würde. Eine Geistergestalt Hannas erschien vor seinem inneren Auge. „Aurelius, meine Liebe. Du warst tapfer. Es ist nicht deine Schuld. Und jetzt räche deine Kameraden, du schuldest es ihnen. Ich liebe dich“, flüsterte sie. Dabei spielte sie mit ihrem blonden Haar herum, wie sie es immer tat.
„Ich weiß“, meinte Aurelius. Er wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. „Erena, wache über sie und mein ungeborenes Kind. Lass ihnen kein Leid zustoßen.“
Aurelius griff sich sein Schwert aus dem Matsch und umklammerte es fest. Er ließ einen letzten Blick auf Marcus und Damilius fallen. „Jugeuma, geleite ihre Seelen sicher in dein Reich. Zothenar, fälle ein gerechtes über deine Diener. Kelsus, rufe deine Krieger am Tag der letzten Schlacht in deine Reihen“, betete er für sie. Ihm wurde bewusst, dass er im Angesicht des Todes viel betete. Vielleicht ist dies die grausame Art der Götter, mich an ihre Existenz zu erinnern?, dachte er zynisch. Langsam quälte er sich hoch. Sofort schoss wieder Blut aus der Wunde in seiner Seite. Offenbar hatte der Heilzauber versagt. Langsam und entschlossen schritt Aurelius durch den Matsch zur Straße. Mit jedem Schritt kehrte seine Stärke zurück, der Schmerz verblasste immer mehr. Dutzende Legionäre lagen im Schlamm, massakriert. Nur wenige Cehnem waren unter den Toten, dafür liefen umso mehr der großen, zweibeinigen Biester zwischen den Leichen umher. Wie sie Aurelius Kameraden behandelten, ließ Zorn in ihm auflodern. Er vergaß den Schmerz, griff sich stattdessen ein Turmschild, der neben einer Leiche lag. Hannas Erscheinung hatte recht gehabt. Er musste seine Kameraden rächen.
„He, Abschaum!“, schrie er aus voller Leibesstärke. Überrascht wandten sich die Cehnem um. Sie stießen laute Rufe aus, wirbelten ihre Waffen durch die Luft. Langsam stapften sie vor, sich ihres Sieges gewiss. In ihren Augen brannte Mordlust. „Ihr habt noch einen übersehen! Tefarische Legionen rennen nicht davon!“
Mit einem wutentbrannten Schrei stürzte Aurelius vor. Und er spürte, wie die Götter seinen Zorn lenkten und an seiner Seite kämpften.

 

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